Anders als bisher angenommen, ist der größte Feind des Tourengehers nicht der klassische Hunger oder vielleicht der Durst – dagegen kann man vorsorgen – sondern der gemeine Kantenschaden. Der beste Wildschnee Wahnsinns-Hokuspokus-Carbon-Esche-Pappel-Custom-Kern geht nämlich in die Knie, wenn Stan der Stein auftaucht, bzw. wenn er gerade so weit abtaucht, dass man ihn unter der Schneeoberfläche nicht mehr sieht.
Ein solcher Fels im feisten Powder kann dir den ganzen Tag vermiesen und dich anschließend noch den ganzen Abend in den Keller schicken. Wir beschäftigen uns heute mit der Nummer zwei der ungeliebten Geräusche auf Tour, gleich nach dem dumpfen Wumpf in einer unberührten Schneedecke. Nämlich mit dem Geräusch, das in etwa so klingt, als würde ein Zahnarzt mit dem groben Meißel einen Backenzahn ausweiden – sprich wenn die Seitenwange sich lautstark verabschiedet.
Das Ergebnis:
Und hier das Reparaturrezept zum Nachkochen:
Zum Reparieren erst mal alles entfernen, was nicht mehr fest mit dem Kern verbunden ist. Auf den Bildern siehst du meinen ultraleichten Zweiteiler, dem‘s in den Tuxern die Seitenwange auf gut 150mm rausgefetzt hat. Obendrein ist die die Stahlkante genauso verbogen wie das Weltbild eines durchschnittlichen Nordic Walkers.
Jetzt lege ich das Skiteil auf eine feste Metallauflage (Amboß) und richte die Stahlkante nach, am besten geht das mit einem Messing- oder Alukern. Ich hab da die unterschiedlichsten Formen, meist entscheide ich mich für das gute 10x40mm Flacheisenstück.
Beim Nachrichten lege ich im nicht überstreckten Bereich links und rechts vom Schaden einen 1mm starken Alustreifen unter, um den überstreckten Bereich quasi wiederum in die Gegenrichtung zu überstrecken, da nicht alles 1:1 ankommt. Trotzdem immer schön langsam und vorsichtig klopfen! Ist das erledigt, muss der Kern gut durchgetrocknet sein, um weiter zu machen – vorher geht nix.
Nach der Trocknung steche ich die Seitenwangen nochmals um ca. 10mm zurück, auch wenn man glaubt, man hat schon alles erwischt, sicher ist sicher. Meist reißt die Seitenwange ein bisschen vom Holzkern aus. Am besten mit einem schmalen Stechbeitel den Kern auf eine gleichmäßige Tiefenlage bringen. Der Obergurt und der Untergurt bleiben stehen. In diesem Zwischenraum wird dann das neue Stück der Seitenwange eingesetzt.
Weiter muss noch geprüft werden, ob der Untergurt noch mit der VDS Stripe, Gummiband und der Kante verbunden oder abgelöst ist. Bei Ablösungen musst du ihn wieder verkleben – das erledige ich im gleichen Arbeitsschritt wie das Einsetzen der neuen Seitenwange. Schließlich will auch ich nicht im Keller übernachten.
Seitenwangen sind meist aus ABS-Kunststoff. Ablängen und in den Zwischenbereich einpassen ist jetzt angesagt, grob ausmessen und langsam mit einem Schleifklotz und oder Karosseriefeile bearbeiten. Auch hier gilt: Fuß vom Gas!
Das schaut doch schon ganz gut aus. Jetzt wird der ABS-Seitenwangenstreifen an den Klebeflächen gut angeraut und fettfrei gemacht. Zum Verkleben verwende ich einen 2K Epoxidharzkleber. 2K Klebstoffe gehören nicht zu den klassischen Wellness-Produkten, also gute Belüftung, Schutzbrille und Handschutz nicht vergessen!
So meine Damen und Herren, wir kommen zum großen Finale. Jetzt wird das Klebebett vorbereitet, alle Flächen werden gleichmäßig mit Kleber benetzt und dabei kann es auf der Grundfläche ruhig ein bisschen mehr sein. Denn beim Pressen darf kein Hohlraum zwischen dem Kleber und der eingesetzten Seitenwange entstehen. Hast du es am Berg geschafft, auch deinen VDS-Stripe abzulösen, wird die Stahlkante ebenso mit dem Epoxidharz benetzt.
Der Überschuss wird beim Verpressen herausgedrückt. Dabei leisten ein paar Schraubzwingen und Kantholzklötzchen, die mit Tesapackband abgeklebt sind gute Dienste. Ja, ja immer schön alles abkleben:
Ich verwende auch mal gerne einen Schraubstock mit Schutzbacken, aber Vorsicht mit der Kraft, die der Schraubstock bringt – verbogen war die Kante schon, das brauchen wir nicht nochmal.
An dieser Stelle hast du schon 90% geschafft. Wichtig ist jetzt, dass man das Ganze ein paar Tage endfest werden lässt. Beim anschließenden Finish, dem Verschleifen der Seitenwange wird die eingesetzte Seitenwange wieder annähernd auf Originalkontur gebracht. Die Seitenwange kann grob mit einer Karosseriefeile vorgearbeitet werden. Anschließend Endfinish mit der Ziehklinge, mit der Oberfräse und dem entsprechenden Fräser, für kurze Stücke verwende ich gerne auch die Teppichmesserklinge.
So, fertig. Die hier gezeigten Arbeiten entsprechen meinen persönlichen Erfahrungen, ich beziehe mich hier ausschließlich auf meine von mir gebauten Boards. Ich übernehme für diese Ausführungen keine Garantien. Jeder, der an einem defekten Board etwas repariert, macht das ausschließlich auf seine eigene Gefahr. Als Tipp: Beim Umgang mit Klebern beziehungsweise den Epoxidharzen immer Schutzausrüstung tragen: Handschuhe und Schutzbrille.
Oder halt alternativ nur dann fahren, wenn’s wirklich guten Schnee hat.
Markus.